Wege aus der Wohnungskrise

von | Aktuelles Politik

Eindrücke von der Konferenz Netzwerk Mieten & Wohnen 5./6. Februar 2021

Mit einer drastischen Lageanalyse eröffnete Lisa Vollmer die 5. Konferenz Mieten & Wohnen: Unbezahlbarkeit, Kommerzialisierung und Entdemokratisierung von Wohnraum - die Neoliberalisierung der Wohnungspolitik seit den 1970er Jahren ist in allen Regionen Deutschlands spürbar. Der Bestand der Sozialwohnungen ist rückläufig und hat sich gegenüber dem Jahr 1990 mehr als halbiert. Finanzmarktorientierte Wohnungsunternehmen kümmern sich mehr um die Interessen ihrer Anleger*innen als um ihre Mieter*innen. Eigentlich partizipative Verfahren der Stadtplanung sind nicht mehr als eine Art Scheinbeteiligung, bei der die wichtigen Fragen außen vor bleiben.

Die Veranstaltung, die merklich unter dem Eindruck des Bundestagswahljahres stand, fand in diesem Jahr coronakonform als Video-Konferenz statt. Bis zu 170 Teilnehmer*innen aus Politik, Justiz, Wissenschaft, Sozialen Einrichtungen sowie mieten- und wohnungspolitischer Bewegung kamen gleichzeitig zusammen, um sich der Frage zu stellen, was diesen Entwicklungen entgegenzusetzen ist.

In drei Panels wurden einzelne Aspekte vertieft und schwerpunktmäßig bearbeitet. So lenkte Dr. Armin Kuphal (Der Paritätische Rheinland-Pfalz/Saarland) den Blick im Panel „Wohnen und sozialer Zusammenhalt im Quartier“ auf das Verhältnis der Mieter*innen untereinander: „Vertikale Solidarität vor horizontaler Solidarität!“ Denn intakte Beziehungen der Mieter*innen untereinander führen nicht nur zu einer Steigerung der Wohnqualität, sondern ermöglichen auch breiten, anschlussfähigen Protest. Eindrucksvolles Beispiel hierfür ist die Initiative Bizim Kiez in Berlin. Die Aktivistin Kathrin Ottovay berichtete, wie sich die Nachbarschaftsinitiative im Kreuzberger Wrangelkiez gegen die Verdrängung von Kleingewerben und Mieter*innen und für lebendige und politisch aktive Nachbarschaften engagiert. Hierbei schafft die Initiative einen Raum, der gegenseitiges Kennenlernen und Kultur mit politischem Engagement verbindet, und entwickelt Teilhabe ermöglichende und familiengerechte Aktionen wie einen „Widerständigen Laternenumzug“. Auf diese Weise wird politisches Engagement mit nachbarschaftlichen Aktivitäten und Gemeinschaft verbunden.

Neben zivilem Protest bedarf es auch immer wieder mutiger und konkreter Gesetzesvorhaben. In Berlin trat am 23. Februar 2020 der Mietendeckel in Kraft und führte verbindliche Mietobergrenzen ein. Doch war das Land Berlin hierzu überhaupt berechtigt oder ist eine derartige Regelung aus verfassungsrechtlicher Sicht dem Bundesgesetzgeber vorbehalten? Im Panel „Landeskompetenz Mieten und Wohnen“ erläuterte Dr. Rainer Tietzsch (Berliner Mieterverein), warum die Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen aus seiner Sicht bei den Ländern und nicht beim Bund liegt. Entscheiden wird diese Frage voraussichtlich Mitte dieses Jahres das Bundesverfassungsgericht, doch der Vortrag macht Hoffnung, dass der Mietendeckel hält.

Im Anschluss führte Dr. Tobias Behrens (STATTBAU Hamburg GmbH) den Teilnehmer*innen noch einmal vor Augen, welches Ausmaß der Mangel an Sozialwohnungen für einkommensschwache Menschen in Deutschland und insbesondere in Großstädten angenommen hat: In Hamburg kommen auf weniger als 80.000 Sozialwohnungen mehr als 400.000 berechtigte Haushalte. Wäre es daher verfassungsrechtlich zulässig, auf angespannten Wohnungsmärkten eine Belegungsbindung einzuführen und einen Anteil von zum Beispiel 5 – 10 Prozent der Wohnungen im Bestand der großen Wohnungsunternehmen zu entsprechend günstigen Mietpreisen als Sozialwohnungen zu vergeben? Dieser Frage widmete sich Dr. Sarah Lincoln (Gesellschaft für Freiheitsrechte) in ihrem Beitrag und hält ein derartiges Vorgehen unter bestimmten Bedingungen durchaus für denkbar. Für alle, die in diesem Jahr nicht dabei sein konnten, wird es im März 2021 eine Broschüre geben, welche eine umfangreiche Dokumentation der Workshops und Vorträge enthält, abzurufen auf der Internetseite des Bündnisses www.netzwerk-mieten-wohnen.de

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