Rausverdichtet

von | Aus den Stadtteilen

Dachgeschossausbau Gorch-Fock-Straße

Die Akzeptanz von Nachverdichtungs­projekten wird Mietern schwerge­macht. Die jetzige Rechtslage erlaubt es Vermietern Dachgeschossaus­bauten dazu zu nutzen, Mieter zu vertreiben. Das Drama in der Gorch­Fock-Straße 6 und 8 ist ein trauriges Beispiel. Zweifel daran, dass die Re­form des Modernisierungsmietrechts dringend nötig ist, dürften sich damit erledigt haben.

Die Grundstückgesellschaft Dittmers GbR, vertreten durch die Bruhns GVPE GmbH & Co. KG (später Grundstücksgesellschaft El­be mbH), kündigt den Mietern der Gorch­Fock-Straße 6 und 8 im März 2013 erstmalig den Ausbau der Dachböden an: Fünf neue Wohnungen sollen entstehen. Hierfür soll der Keller um ein Geschoss erweitert, dort neue Abstellräume errichtet und eine Kel­lerdeckendämmung eingezogen werden. Dabei lässt der Vermieter die Mieter zu­nächst im Unklaren darüber, ob es sich um eine Modernisierungsmaßnahme handelt, für die sie womöglich noch eine Mieterhö­hung werden zahlen müssen. Denn Anga­ben hierzu fehlen komplett. MhM klärt dies frühzeitig und ringt dem Vermieter unter Androhung einer einstweiligen Verfügung eine schriftliche Bestätigung ab, dass die angekündigten Maßnahmen im Keller kei­ne Mieterhöhung zur Folge haben und man zunächst lediglich Vorbereitungsarbeiten für die geplante Modernisierung im Keller durchführen werde.
Zunächst konnten die Mieter aufatmen, doch dann der Schock. Anfang 2014 kündigt der Vermieter das Maßnahmenpaket rund um die Aufstockung mit einer drastischen Mieterhöhung an. Es soll für jeden Hausein­gang ein Fahrstuhl angebaut und das gan­ze Haus gedämmt sowie die Fenster ausge­ tauscht werden. Bei der Gelegenheit wer­den die alten Balkone abgerissen und durch neue, etwas größere ersetzt. Zudem soll ein hydraulischer Abgleich der Heizung durch­geführt sowie eine Lüftungsanlage einge­baut werden. Die Elektroanlage wird erneu­ert. Den Bestandsmietern werden hierfür 6 Euro Mieterhöhung angekündigt—pro Qua­dratmeter wohlgemerkt. Einige Mieter wi­dersprechen der angekündigten Baumaß­nahme aus finanziellen Härtegründen. Aber es gibt auch ansonsten gute Argumente gegen die Erhöhung. Die meisten Maßnahmen führen zu keiner nachhaltigen Wertverbes­serung für die Mieter und sind eigentlich Folgen der Aufstockung und damit diesem Teil der Baumaßnahme zuzurechnen. Doch die Klärung, ob die Erhöhung wirklich be­rechtigt ist, hat der Gesetzgeber an das En­de der Baumaßnahmen geschoben. Erstmal müssen die Mieter dulden. Da die Hausver­waltung nicht zu klärenden Gesprächen be­reit ist, bleiben die 6 Euro Mieterhöhung im Raum stehen und hängen wie ein Damok­lesschwert über den Köpfen der Mieter.
Über zwei Jahre sind die Mieter massiv­sten Bauarbeiten ausgesetzt. Die Häuser sind eingerüstet, der Lärm ist unerträglich. Mietergärten werden durch die Einrüstung und das Aufgraben plattgemacht. Zusam­men mit der blickdichten Plane befinden sich die Mieter in einem schmutzigen, lau­ten Dauerwinter. In der Sommerzeit müs­sen Fenster geschlossen bleiben, Balkone sind nicht nutzbar. Als wenn das nicht schon genug wäre, führt der Vermieter zusätzlich lärmintensive Sanierungsarbeiten in Nach­barwohnungen von Mietern durch, die ge­rade ausgezogen sind. Hinzu kommen di­verse Wasserschäden im Keller und im Dach. In Folge des Dachausbaus werden Abstell­räume der Mieter gekündigt und müssen geräumt werden. Hierfür werden Ersatz­räume im neu fertig gestellten Keller ange­boten.
Während der Bauzeit mindern die Mieter mit Hilfe von MhM die Miete und machen Aufwandsentschädigungen und Schadens­ersatz geltend, die noch streitig verhandelt werden müssen. Aber dies ist nur ein schwa­cher Trost. Sieben von zwanzig Mietpartei­en werfen vorzeitig das Handtuch und zie­hen wegen der Arbeiten und der drohenden Mieterhöhungen aus. Das hätte nicht sein gemusst, denn am Ende der Modernisierung stellt sich heraus, alles ist doch nicht so teuer gewesen.
Die Mieterhöhung ist um die Hälfte niedriger als angekündigt — statt 6 Euro/m² sollen es jetzt rund 3 Euro/m² sein. MhM hält auch die neue Mieterhöhung noch für angreifbar. Auch wenn hierüber ver­mutlich noch gestritten werden wird — die Mondpreise zu Beginn der Baumaßnahme haben Wirkung gezeigt. Wer keinen finan­ziellen Härtewiderspruch erhoben oder vor Einzug keine Staffelmiete vereinbart hat­te (diese Mieter müssen keine zusätzlichen Wertverbesserungszuschläge zahlen), der hat lieber eine neue Bleibe gesucht — auch im Umland zu verlässlichen Preisen und oh­ne jahrelangen Dreck und Baulärm. Die frei­gewordenen Wohnungen werden nun für 14 Euro und mehr je Quadratmeter netto kalt angeboten! Das Fazit für diese Nachverdich­tungsmaßnahme: Keine einzige bezahlbare Wohnung wurde geschaffen, sieben günsti­ge Mietverhältnisse wurden vernichtet.

erschienen in: Mietraum² Ausgabe 2.2016

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