Rausverdichtet
von Christian Bluhm | Aus den Stadtteilen
Dachgeschossausbau Gorch-Fock-Straße
Die Akzeptanz von Nachverdichtungsprojekten wird Mietern schwergemacht. Die jetzige Rechtslage erlaubt es Vermietern Dachgeschossausbauten dazu zu nutzen, Mieter zu vertreiben. Das Drama in der GorchFock-Straße 6 und 8 ist ein trauriges Beispiel. Zweifel daran, dass die Reform des Modernisierungsmietrechts dringend nötig ist, dürften sich damit erledigt haben.
Die Grundstückgesellschaft Dittmers GbR, vertreten durch die Bruhns GVPE GmbH & Co. KG (später Grundstücksgesellschaft Elbe mbH), kündigt den Mietern der GorchFock-Straße 6 und 8 im März 2013 erstmalig den Ausbau der Dachböden an: Fünf neue Wohnungen sollen entstehen. Hierfür soll der Keller um ein Geschoss erweitert, dort neue Abstellräume errichtet und eine Kellerdeckendämmung eingezogen werden. Dabei lässt der Vermieter die Mieter zunächst im Unklaren darüber, ob es sich um eine Modernisierungsmaßnahme handelt, für die sie womöglich noch eine Mieterhöhung werden zahlen müssen. Denn Angaben hierzu fehlen komplett. MhM klärt dies frühzeitig und ringt dem Vermieter unter Androhung einer einstweiligen Verfügung eine schriftliche Bestätigung ab, dass die angekündigten Maßnahmen im Keller keine Mieterhöhung zur Folge haben und man zunächst lediglich Vorbereitungsarbeiten für die geplante Modernisierung im Keller durchführen werde.
Zunächst konnten die Mieter aufatmen, doch dann der Schock. Anfang 2014 kündigt der Vermieter das Maßnahmenpaket rund um die Aufstockung mit einer drastischen Mieterhöhung an. Es soll für jeden Hauseingang ein Fahrstuhl angebaut und das ganze Haus gedämmt sowie die Fenster ausge tauscht werden. Bei der Gelegenheit werden die alten Balkone abgerissen und durch neue, etwas größere ersetzt. Zudem soll ein hydraulischer Abgleich der Heizung durchgeführt sowie eine Lüftungsanlage eingebaut werden. Die Elektroanlage wird erneuert. Den Bestandsmietern werden hierfür 6 Euro Mieterhöhung angekündigt—pro Quadratmeter wohlgemerkt. Einige Mieter widersprechen der angekündigten Baumaßnahme aus finanziellen Härtegründen. Aber es gibt auch ansonsten gute Argumente gegen die Erhöhung. Die meisten Maßnahmen führen zu keiner nachhaltigen Wertverbesserung für die Mieter und sind eigentlich Folgen der Aufstockung und damit diesem Teil der Baumaßnahme zuzurechnen. Doch die Klärung, ob die Erhöhung wirklich berechtigt ist, hat der Gesetzgeber an das Ende der Baumaßnahmen geschoben. Erstmal müssen die Mieter dulden. Da die Hausverwaltung nicht zu klärenden Gesprächen bereit ist, bleiben die 6 Euro Mieterhöhung im Raum stehen und hängen wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Mieter.
Über zwei Jahre sind die Mieter massivsten Bauarbeiten ausgesetzt. Die Häuser sind eingerüstet, der Lärm ist unerträglich. Mietergärten werden durch die Einrüstung und das Aufgraben plattgemacht. Zusammen mit der blickdichten Plane befinden sich die Mieter in einem schmutzigen, lauten Dauerwinter. In der Sommerzeit müssen Fenster geschlossen bleiben, Balkone sind nicht nutzbar. Als wenn das nicht schon genug wäre, führt der Vermieter zusätzlich lärmintensive Sanierungsarbeiten in Nachbarwohnungen von Mietern durch, die gerade ausgezogen sind. Hinzu kommen diverse Wasserschäden im Keller und im Dach. In Folge des Dachausbaus werden Abstellräume der Mieter gekündigt und müssen geräumt werden. Hierfür werden Ersatzräume im neu fertig gestellten Keller angeboten.
Während der Bauzeit mindern die Mieter mit Hilfe von MhM die Miete und machen Aufwandsentschädigungen und Schadensersatz geltend, die noch streitig verhandelt werden müssen. Aber dies ist nur ein schwacher Trost. Sieben von zwanzig Mietparteien werfen vorzeitig das Handtuch und ziehen wegen der Arbeiten und der drohenden Mieterhöhungen aus. Das hätte nicht sein gemusst, denn am Ende der Modernisierung stellt sich heraus, alles ist doch nicht so teuer gewesen.
Die Mieterhöhung ist um die Hälfte niedriger als angekündigt — statt 6 Euro/m² sollen es jetzt rund 3 Euro/m² sein. MhM hält auch die neue Mieterhöhung noch für angreifbar. Auch wenn hierüber vermutlich noch gestritten werden wird — die Mondpreise zu Beginn der Baumaßnahme haben Wirkung gezeigt. Wer keinen finanziellen Härtewiderspruch erhoben oder vor Einzug keine Staffelmiete vereinbart hatte (diese Mieter müssen keine zusätzlichen Wertverbesserungszuschläge zahlen), der hat lieber eine neue Bleibe gesucht — auch im Umland zu verlässlichen Preisen und ohne jahrelangen Dreck und Baulärm. Die freigewordenen Wohnungen werden nun für 14 Euro und mehr je Quadratmeter netto kalt angeboten! Das Fazit für diese Nachverdichtungsmaßnahme: Keine einzige bezahlbare Wohnung wurde geschaffen, sieben günstige Mietverhältnisse wurden vernichtet.
erschienen in: Mietraum² Ausgabe 2.2016
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